Manchmal habe ich das Gefühl, dass die
Berliner genervt sein wollen. Dass sie denken, sie müssten sich
diesen kosmopolitisch bewährten Stress aneignen um ein wahrer
Großstädter zu sein.
Ich saß vor einer Woche in einer mäßig
gefüllten S1, der nächste Halt: Potsdamer Platz. Eine Klasse
Zweitklässler steigt mit mehreren Lehrerinnen in den Zug. Die
bemühte Aufpasserin versuchte möglichst ruhig alle Kinder auf
Sitzen zu platzieren, damit sie niemandem im Weg stehen und die
Schüler beim Anfahren der Bahn nicht wie Lottokugeln durch den
Waggon purzeln. Eine Mitte 40 Jahre alte Färbe-Blondine besetzte mit
ihrer Handtasche einen freien Sitzplatz direkt am Eingang. Mit einem
freundlichen Lächeln fragte die Lehrerin, ob sie den Platz für
eines der Kinder frei machen könne, indem sie ihre Tasche hochnähme.
Doch anstatt dieser höflichen Bitte
einfach nachzugehen, schlug die Mittvierzigerin verächtlich die
Augen auf, grinste gehässig und hob im Schneckentempo mit den
Worten: „Aaaaber natüürlich, kann ich meine Tasche hier
wegnehmen.“ dieselbe an und legte sie kopfschüttelnd auf ihren
Schoß.
Ich verstehe so etwas nicht. Warum
versucht diese Frau auf Biegen und Brechen etwas negatives in einer
nett formulierten Frage zu finden? Sie scheint doch förmlich Streit,
Stress und ein schlechtes Gefühl zu suchen. Diese Begebenheit ist
natürlich kein Weltuntergang, aber sie zeigt, dass viele Menschen
überhaupt nicht darauf aus sind, einen angenehmen Tag zu erleben und
ihrem Drumherum nicht die Laune zu verdunkeln.
Es ist gänzlich ohne Sinn sich das
Leben schwerer zu machen, als es sein müsste. Außer man erhofft
sich dadurch eine coole Berlin-Attitüde. Eine
fass-mir-an-die-Füß-Aura, die niemandem etwas nützt, nur Unmut sät
und den Alltag für jeden etwas schwerer macht.
Kann man das wirklich wollen?
Wenn ich sowieso dazu bereit bin meine Tasche anzuheben, kann ich das doch auch mit einem Lächeln machen. Ein Danke tut einem nicht weh, wenn einem gerade der Weg zur U-Bahn erklärt wurde. Und das Aufhalten der Tür für eine weitere Sekunde erspart dem Nachbarn das mühselige Suchen nach dem Haustürschlüssel im Regen.
Ganz kleine Gesten können für einen anderen Menschen eine wahre Hilfe sein, die ihnen vielleicht die Stimmung rettet.
Sozialsein beginnt nicht damit nach Südamerika zu reisen und dort in Kinderheimen zu arbeiten oder sich aktiv für den Mindestlohn einzusetzen.
Das Fundament des Sozialseins liegt auf Herrn und Frau Alltags Grundstück.
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